Beobachten in der Natur

Vorbemerkungen

 

Gestützt auf die Vermutung Pat Schulers, dass sehr viele besonders begabte Kinder taktil-handlungsorientierte Lernstile bevorzugen, baue ich hin und wieder Wahrnehmungs- und Beobachtungsaufgaben ins Förderprogramm ein. Manchmal geht es mir aber auch darum, einen allzu kopflastigen Stubenhocker wenigstens für kurze Zeit aus dem Schulzimmer und aus der Reserve zu locken. Wichtig ist mir, dass diese Naturbegegnungen nicht viel Zeit und Aufwand beanspruchen. Wir begeben uns meistens in die Umgebung des Schulhauses und stellen uns einer bewusst eingeschränkten Wahrnehmungsaufgabe.

 

Beispiele:

 

Geräuschelandkarte:

Mit verbundenen Augen die ans Ohr dringenden Geräusche wahrnehmen, diese einer Geräuschquelle zuordnen und diesen Begriff dann dem Partner diktieren.

Später werden die Geräuschbegriffe dann nach Oberbegriffen geordnet, z.B. natürliche/nicht natürliche Geräusche/Fahrzeuge/Menschen/Tiere etc., wobei die Kinder die ordnenden Begriffe selber bezeichnen und in einer Geräuschelandkarte zeichnerisch umsetzen.

Diese Aufgabe kann in verschiedenen Varianten durchgeführt werden.

 

Raupenausflug:
Barfuss und mit verbundenen Augen stellen sich die Kinder hintereinander auf und legen die Hände dem vorderen Kind auf die Schultern.

Diese blinde Raupe führe ich nun langsam übers Schulgelände: über den Rasen, unter Bäumen, durch Wasserpfützen, auf Plattenwegen, kleinere Anstiege hinauf usw., kreuz und quer und auch einmal im Kreis herum.

Wir gehen ganz langsam und ich fordere die Kinder auf, sich den Untergrund unter ihren Fusssohlen sehr gut zu merken.

Schlussendlich halten wir an, die Kinder legen die Augenbinde ab und sollen nun, immer noch barfuss exakt denselben Weg wieder zurück zum Ausgangspunkt finden.

Auch diese Aufgabe kann vereinfacht oder schwieriger variiert werden.

 

Schneenamen:
Wenn Schnee liegt, sucht sich jedes Kind alleine einen Platz, wo es den Schnee genau untersucht und dessen Eigenschaften beschreibt.

Es soll dabei alle Sinne einsetzen: sehen, hören, berühren und fühlen, riechen und schmecken.

Wieder im Schulzimmer werden die Beobachtungen im Plenum ausgetauscht.

Dann werden verschiedene Fragen gestellt:

  • Stell dir vor es, gäbe kein Wort für Schnee. Welche Namen könntest du diesem Phänomen geben unter Berücksichtigung des Aussehens, deiner Sinneseindrücke usw.?
  • Können Dinge (wie Schnee) mehrere Namen haben?
  • Wie hast du dich für die Worte entschieden, mit denen du Schnee benannt hast?
  • Warum ist es wichtig, Dinge mit verschiedenen Worten zu benennen? Warum ist es wichtig, einen Namen zu haben?
  • Wie würde jemand Schnee beschreiben, der so etwas noch nie gesehen hat?

 

Erkenntnisse

Ich denke, dass Naturbeobachtungen und -erfahrungen auch in der Begabtenförderung ihre Berechtigung haben, wenn sie mit anforderungsreichen kognitiven Aufgaben verknüpft werden, sei es nun im räumlichen, kombinatorischen oder kreativ sprachlichen Denken.

Die Fähigkeit, Natur differenziert wahrnehmen zu können, ist sicher Voraussetzung für den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. Das Naturerlebnis schafft die emotionale Basis für die Wertschätzung der Natur.

In Kapitel drei habe ich auf die Forschungsergebnisse von Susanne Bögeholz hingewiesen, die schreibt, dass die Fähigkeit, eine starke Beziehung zu Naturobjekten aufzubauen, häufig auf positiv erlebten Naturerfahrungen beruht und dass Naturerfahrungen auch für kognitiv anspruchsvolles Umwelthandeln bedeutsam ist, insbesondere, wo ökologische Urteilskompetenz gefordert ist. (Bögeholz, 2000)